Zwei Monate im Jahre 1940
Die Schweizer Flugwaffe im Kampf gegen feindliche Eindringlinge


Für ein deutsches Aviatik-Forum habe ich aus verschiedenen Quellen, einen Artikel zur Geschichte der schweizerischen Flugwaffe in den kritischen Monaten Mai und Juni des Jahres 1940 verfasst, in denen unsere Piloten den Schweizer Luftraum mit Waffengewalt verteidigten.


Am Freitag vor Pfingsten, dem 10. Mai 1940, begann um 05:35 Uhr die deutsche Offensive gegen den Westen. Für diesen Aufmarsch standen der Luftflotte 2 unter General Kesselring und der Luftflotte 3 unter General Sperrle, über 3000 Flugzeuge zur Verfügung. Darunter befanden sich etwa 1000 Messerschmitt Me-109 E-1, E-3 und die neu eingeführte E-4.

Die Kriegsbereitschaft der Schweizer Fliegertruppe war als Ganzes gesehen nicht optimal. Nur 8 Einheiten waren mit ca. 70 mehr oder weniger zeitgemässen Flugzeugen ausgerüstet, von denen jedoch nie alle zur Verfügung standen. Dies stand im krassen Gegensatz zu der hohen Kampfmoral der Piloten und des Bodenpersonals.

Am frühen Morgen des 10. Mai 1940, griff Lt. Turnherr von der Cp av 6 mit einer "Emil" im Raum Brugg-Basel ein deutsches Flugzeug an, dessen Typ nicht näher identifiziert werden konnte. Ob das Flugzeug, eine Ju-88 des KG 51 (?) wirksam getroffen wurde, konnte nicht festgestellt werden - es entkam über die Landesgrenze.

Der Abschuss eines Eindringlings erfolgte am Abend des gleiche Tages. Eine He-111 der III./KG 51 versuchte in forscher Weise die Schweiz von der Ajoie bis zum Bodensee zu überfliegen. Hptm Hörning und Oblt Ahl von der Fl.Kp 21, konnten das Flugzeug bei Bütschwil mit ihren "Emils" abfangen, und feuerten einige Warnschüsse ab. Die Deutschen versuchten mit fliegerischen Tricks im Tiefflug zu entkommen. Der nun gezielte Angriff der beiden Me-109 zeigte Wirkung und die He-111 ging mit einer starken Rauchfahne auf ehemals östereichischem Gebiet, gegenüber Altenrhein zu Boden.
Die III./KG 51 hatte an diesem Tag den Auftrag, französische Flugplätze im Raum Dijon und Dôle anzugreifen. Die 9K+DR der 7. Staffel unter Oblt Schifferings verflog sich auf dem Rückflug in die Schweiz und glaubte, deutsche Me-109 vor sich zu haben. Die Folge dieses Irrtums waren 7 Kanonen- und 50 MG-Treffer der beiden Schweizer Me-109 sowie ein schwerverletztes Besatzungsmitglied.

Wegen den zunehmenden Luftraumverletzungen, wurden ab dem 16. Mai die Fliegereinheiten auf erhöhte Bereitschaft gesetzt.

Am 16. Mai 1940 geriet eine He-111 P der 9. Staffel des KG 27 nach einem Angriff im Raum Epinal in einen Schneesturm. Beim Versuch, im Blindflug die Heimatbasis Baltringen im Süddeutschen Raum zu erreichen, verirrte sich der Pilot in die Schweiz. Um 17:15 startete in Olten eine Alarmpatrouille der Fl.Kp 21, konnte die He-111 wegen des schlechten Wetters nicht finden. Erfolgreicher war die Alarmpatrouille aus Dübendorf. Oblt Streiff und Oblt Kisling entdeckten das Flugzeug am oberen Ende des Greifensees und setzen sich leicht überhöht, ca. 500 Meter hinter der Heinkel in Angriffsposition. Als der deutsche Bordschütze das Feuer eröffnete, ging Streiff mit der J-349 zum Angriff über. Arg zerschossen und mit verletzten Besatzungsmitgliedern konnten die Deutschen in den Wolken entkommen. Der Bomber geriet aber in das 20mm Abwehrfeuer der Flab Bttr 34 im Raume Dübendorf, wobei er mehrmals getroffen wurde. Der Bordmechaniker sowie der Funker sprangen im Raume Ottikon mit dem Fallschirm ab und mussten mit leichten Verletzungen ins Kantonsspital Winterthur gebracht werden. Das Flugzeug ging um ca. 17:30 Uhr bei Kemleten zu Boden wobei die linke Tragfläche abgerissen wurde. Der Pilot und der Beobachter konnten die wichtigsten Bordinstrumente zerstören und das Flugzeug in Brand setzen. Nach 4 Stunden Flucht wurden sie von einer Dragoner-Patrouille aufgegriffen. Die Ueberreste der He-111 stiessen auf grosses Interesse. Rund 200 Treffer wurden ausgewertet. Die Piloten der Fl.Kp 21 hatten die Gelegenheit mit der deutschen Besatzung zu sprechen. Pilot Lt Rieker, ein Veteran des Polenfeldzuges meinte, "dreimal bin ich in Polen abgeschossen worden und jedes mal ist es mir gelungen, nach Deutschland zurückzugelangen - und hier, ausgerechnet in der kleinen Schweiz muss mir das passieren. Zum Teufel nochmal." Aus der Unterhaltung ging auch klar hervor, dass deutsche Bordschützen auf jedes Flugzeug schiessen, das eine Angriffsposition einnimmt. Bordfunker Herzig unterstrich die deutsche Haltung klar und deutlich: "Einen Landebefehl gibt es doch gar nicht ! Entweder zwingt uns die feindliche Waffenwirkung dazu, oder es gelingt uns auszukneifen."

Ende Mai erhielten die Fliegereinheiten eine weitere Verstärkung. Die Fl Kp 13 und Fl Kp 14 konnten nach der Umschulung auf D 3800 (Morane MS 406) operationell eingesetzt werden.



Eine Morane D-3801 der schweizer Flugwaffe


Die Alarmpatrouillen wurden aber weiterhin durch die erfahrenen Messerschmitt-Kompanien 6, 15 und 21 gestellt.

Die Schweizerischen Jagdfluzeuge starteten meist in der Zweierformation Patrouille. Die Ausrüstung mit Funkgeräten war mangelhaft und es war oft so, dass nur der Formationsführer über Funk verfügte, der leider aber allzuoft auch nicht funktioniert. So geschah es oft, dass bei schlechtem Wetter, die Formation gesprengt wurde und die Piloten versuchten, den Einsatz alleine auszuführen. Numerische Unterlegenheit oder unterlegenes Flugmaterial hat nie einen Piloten daran gehindert, seinen Auftrag auszuführen.

Als extremes Beispiel sei hier Lt Morier der Cp av 2 mit seiner C 35 genannt, der am 4. Juni ganz alleine 3 Staffeln Bf-110 des II/ZG 1 und einige He-111 angriff. Es entbrannte ein wilder Luftkampf, bei welchem der/die Angegriffe(nen) jeweils in die Wolken wegtauchten. Lt Morier brachte seine C 35 wieder nach Hause. Ueber die Waffenwirkung konnte er keine Angaben machen.

(Dazu eine kleine Anmerkung: Damals galt der schwere Jäger Messerschmitt Bf-110 als eines der stärksten Kampf- und Jagdflugzeuge überhaupt. Zudem wurden diese Maschinen von der "Crème de la Crème" der deutschen Luftwaffe pilotiert. Dagegen war die C-35 von Lt Morier beim Ausbruch des Krieges bestenfalls noch zweite Garnitur, als Doppledecker bereits veraltet und leistungsmässig in jeder Hinsicht klar unterlegen.
 
Ich glaube, kein anderer Einsatz der Schweizer Luftwaffe zeigt so gut, wie es um die Moral der schweizerischen Piloten bestellt war, wie der furchtlose, ja geradezu selbstmörderisch tollkühne Einsatz von Lt Morier.)


eine C-35


Die ersten beiden Wochen im Juni 1940, sollten der Flugwaffe die heftigsten und meisten Luftkämpfe des ganzen Krieges bringen.

Am 1. Juni 1940 hatte das KG 52 "Legion Condor" den Auftrag, Eisenbahnverbindungen in Rives bei Grenoble (I. Gruppe), Aix-le-Bains (II. Gruppe) und Amberieu-en-Bugey (III. Gruppe) zu bombardieren. Unter Punkt 7 des Einsatzbefehls stand zu lesen: "An den Zielen ist nur mit schwacher Abwehr zu rechnen. Vorsicht beim Ueberfliegen Schweizer Gebietes. Mit Angriff durch schweizerische Jagdflugzeuge Bf 109 ist zu rechnen." Die deutschen Einsatzplaner hatten offenbar nicht ernsthaft mit der Entschlossenheit der Schweizer Luftabwehr gerechnet; Teile des Geschwaders flogen unter Missachtung der Schweizer Lufthoheit um 15:48 Uhr im Raume Basel über die Grenze und Verliessen das Land bei Le Brassus.

Hptm Roubaty, Kommandant der Cp av 6 in Thun, ergreift nach eine Meldung des Flugbeobachtungsdienstes die Initiative und startet um 16:05 Uhr mit Lt Wachter in Richtung Neuchatel. Um 16:21 Uhr sichtet Wachter in der Gegend der Vue des Alpes eine einzelne He 111 auf ca 3000 Meter Höhe. Durch ein Zeichen verständigt er den Patouillenführer der sofort zum Angriff überleitet. Roubaty flog den Bomber leicht links von hinten an, gefolgt von Wachter, der direkt von hinten angriff. Der deutsche Bordschütze eröffnet ebenfalls das Feuer ohne jedoch zu treffen. Die He-111 konnte vorerst mit einem Sturzflug durch die Wolken entkommen. Beim zweiten Angriff der Me-109, noch ca. 100 m über Grund, konnten wiederum mehrere Treffer angebracht werden. Der Bomber geriet in eine Telefonleitung und raste nach einigen hundert Metern in eine etwas höher gelegenen Wald be Lignieres. Die He-111 explodierte, und die Trümmer rissen eine 200 m lange Schneise in den Wald. Die fünf Mann Besatzung wurden dabei getötet. Die He-111 H mit dem Kennzeichen A1+DM gehörte zur II. Gruppe des KG 53.

Auf dem Rückflug von ihren Angriffszielen in Frankreich, flog das KG 53 wiederum der Schweizergrenze entlang in Richtung Pruntrut-Basel. Die 1. Staffel unter Hptm Allmendinger flog um 17:08 Uhr in der Gegend des Lac de Joux in den Schweizer Luftraum ein. Fünf Minuten später ging bei der Flieger Kp 15 in Olten die Meldung über einen Verband von 12 deutschen Bombern ein. Die 1. Alarmpatrouille mit Oblt Kuhn und Lt Aschwanden startete unverzüglich. Minuten später wurde ein weiterer deutscher Verband gemeldet.
Die 2. Alarmpatrouille mit Hptm Lindecker und Oblt Homberger startete um 17:18 Uhr und wurde nach Saignelegier befohlen. Ungefähr zur gleichen Zeit starteten Lt Turnherr und Lt Schenk der Cp av 6 ab Thun.
Die Patrouille Hptm Lindecker/Oblt Homberger entdeckten im Raum St.Imier auf ca. 4000 m Höhe eine Formation von 4 x 3 Bombern, die der Grenze entlang flog. Von der französischen Seite her konnte starkes Flakfeuer festgestellt werden. Da Hptm Lindecker seinerseits eine Grenzverletzung vermeiden wollte, setzte er sich ohne anzugreifen hinter den Verband und wartete bis sie beim Dobs-Bogen bei St.-Ursanne angelangt waren. Da sie nun unmissverständlich über Schweizergebiet waren, griff Lindecker den hintersten Bomber der linken Kette an und konnte einige Treffer anbringen.


Eine Staffel Me 109 "Emil" über den Alpen


Lt Schenk von der Cp av 6 verlor in der Gegend von St.Imier seinen Patrouillenführer, als er in einer Wolke verschwand. Unverhofft sah er einen Bomber direkt auf sich zufliegen. Schenk zog seine Maschine hoch , setzt sich hinter den Verband und leitete auf die hinterste Dreierformation einen Angriff ein. Dabei geriet er in das Abwehrfeuer der Bordschützen und sein Flugzeug wurde mehrmals getroffen.
Lt Schenk konzentrierte sich auf den zuhinters links fliegenden Bomber. Der Bomber drehte nun plötzlich nach rechts ab und ging mit einer grauen Rauchfahne in einen steilen Gleitflug über. Der Bomber kam bei Oltinque auf der französischen Seite zu Boden.
Hptm Lindecker griff nun den hinten rechts fliegenden Bomber an und verfeuerte auf 200 - 300 m seine restliche Kanonenmunition. Da das Schweizergebiet durchflogen war, mussten die Angriffe eingestellt werden.

Am Sonntagmorgen des 2. Juni 1940 trafen zwischen 08:30 und 11:00 Uhr zahlreiche Meldungen über Grenzverletzungen ein. Die Fl Kp 13 und 14. ausgerüstet mit D-3800, wurden zusätzlich auf erhöhte Alarmbereitschaft gestellt. Keines der Flugzeuge verfügte jedoch über ein Funkgerät.
Ein erster, nicht näher identifizierter Bomber, flog von Genf herkommend in 7500 m Höhe über das ganze Mittelland und konnte von keiner Patroille gestellt werden. Ein Einsatz der Fl Kp 13 als Sperrflieger im Raum Biel-Lyss verlief ergebnislos, weil die D-3800 die nötige Höhe nicht erreichen konnten.

Die Bomber des KG 55 "Greif" griffen in jenen Tagen Flugplätze in Südfrankreich und Paris an. Ueber Bourg/F wird die He-111 P-2 von Uffz Mahnert von französischen D.520 angegriffen, wobei der Bordfunker verletzt und der rechte Motor so beschädigt wurde, dass er abgestellt werden musste. Die schwer angeschlagene G1+HS überflog in ca. 1700 m Höhe um 09:39 Uhr die Schweizergrenze bei Bernex. Eine Patrouille der Fl Kp 15, mit einem Sperrauftrag über dem Puntrut wurde auf den Bomber angesetzt. Ueber Yverdon sahen sie die He-111 in niedriger Höhe und gehen zum Angriff über. Nach eine Sturzflug aus 5000 m H. feuerte Hptm Lindecker, gefolgt von Lt Aschwanden, aus ca 100 m Entfernung mit den Kanonen auf die He-111. Ein Abwehrfeuer war nicht zu bemerken. Das rechte Querruder wurde derart beschädigt, dass sie nur noch schwer steuerbar war. Mahnert drehte nach Süden ab und konnte bei Ursins in einem Getreidefeld notlanden.
Der Abschuss der He-111 löste beim KG 55 grosse Empörung aus.


Alarm !! Schweizer Jäger-Piloten spurten zu ihren
bereitstehenden Messerschmitt "Emil".

Es war vorauszusehen, dass nun aus Deutschland eine Reaktion erfolgen musste, hatte doch die Luftwaffe innert weniger Tage fünf He-111 über der Schweiz verloren. Die Flugzeuge waren das Eine. Die zahlreichen toten und internierten Besatzungsmitglieder waren jedoch ein hoher Preis für ein paar Grenzverletzungen mit einem kleinen Nachbarland.

Am Abend des 3. Juni 1940 versammelte der Kommandant der V. Fliegerdivision, Generalmajor Ritter von Greim, in Lachem-Speyerdorf die Offiziere der mit Me-110 ausgerüsteten II. Gruppe des ZG 1.
Er sprach von einem Sonderauftrag, der darauf abziele, an der Schweizergrenze entlangzufliegen um festzustellen, ob die Schweizer auch den Zerstörerverband angreifen würden. Oblz Bossler vom KG 55, der den Abschuss der havarierten He-111 von Uffz Mahnert nicht einfach hinnehmen wollte, bot sich als Lockvogel an. Das Unternehmen wurde als "Aufklärungsflug mit Zerstörerschutz" deklariert. Eine Verletzung des Schweizer Luftraumes sollte jedoch vermieden werden.

Am Dienstag den 4. Juni 1940, wurden wegen den schon alltägliche Grenzverletzungen, erneut verschiedenen Alarmpatroillen auf erhöhte Bereitschaft gestellt. Bereits am frühen Morgen erfolgten zahlreiche Verletzungen des Schweizer Luftraumes. Die Zerstörer des II./ZG 1 versuchten zwischen 09:30 und 11:00 Uhr ein erstes Mal zu provozieren, indem sie kreuz und quer über das Pruntrut flogen, ohne jedoch behelligt zu werden.

Nachmittags, um ca 14:45 Uhr erfuhren die Grenzverletzungen einen neuen Höhepunkt: Hatten es die Schweizer Jagdpatrouillen bislang zumeist mit einzelnen Flugzeugen zu tun, wurden sie von einer Uebermacht in regelrechte Luftkämpfe verwickelt.

Eine C 35 (C-137) der Cp av 2 befand sich über dem Dent de Vaulion, südlich von Vallorbe, auf einem Patrouillenflug, als die Besatzung einen Luftkampf zwischen französischen und deutschen Jägern im Raum Pontarlier und Frasne gewahrte. Die deutschen Jäger flogen in einem Kreise und wurden allmählich in Richtung Schweiz abgedrängt. Der unerschrockene Pilot wollte mit seinem venerablen Doppeldecker die Deutschen abwehren, wurde aber seinerseits von 3 Me-110 bedrängt und kurvte weg. Als eine einzelne He-111 sichtbar wurde, ging er zum Angriff über und feuerte auf lange Distanz mit der Kanone und den MG auf den Bomber ohne jedoch eine Wirkung festzustellen. Die deutschen Flugzeuge verschwanden in den Wolken. Lt Morier stiess ohne es zu ahnen auf den Verband, den Göring zur Strafaktion gegen die Schweiz ausgeschickt hatte.
Die gesamte II./ZG 1 und mehrere He-111des KG 55, flogen an der Grenze zum Neuenburger Jura auf und ab. Der Fluss Doubs, in dieser Region als Grenzverlauf klar erkennbar, zeigte, dass die Deutschen immer wieder auf Schweizergebiet eindrangen, in der Absicht die schweizerischen Jäger zu provozieren. Diese wiederum zögerten nicht lange und es erfolgte eine Reihe von heftigen Luftkämpfen. Dabei wurden die Schweizer Piloten erstmals mit einer für sie unbekannten Kampftechnik konfrontiert. Sobald sie angriffen, bildete der Gegener einen sogenannten Abwehrkreis.
Die Aufzeichnungen über die einzelnen Aktione sind widersprüchlich. Zum einen sind es die Zeitangaben und zum anderen die Identifikation der Flugzeugmuster, die sich widersprechen. Wieviele He-111 an der Aktion tatsächlich beteiligt waren, lässt sich aus den Unterlagen nicht ermitteln.

Auf die ersten Meldungen um ca 14:22 Uhr, betreffend fremde Flugzeuge über dem Neuenburger Jura, erfolgte eine ganze Reihe von Alarmstarts der Messerschmitt- und Morane-Einheiten.
Oblt Kuhn und Lt Aschwanden von der Fl Kp 15 befanden sich um 15:00 Uhr in der Gegend von St.-Ursanne, als eine Meldung über "vier Bomber" im Raum Neuchatel eintraf. Ueber St Blaise sahen sie den Verband, verloren sich jedoch gegenseitig aus den Augen. Nach einem Angriff von Lt Aschwanden drehten die vermeintlichen Bomber (Zerstörer ?) nach Westen ab und verliessen die Schweiz.
Lt Aschwanden wurde nun selber von zwei Me-110 angegriffen und musste den Angriff abbrechen. Nach einer Linkskurve zog er hoch und konnte danach eine Me-110 bis nach St.-Ursanne verfolgen. Aschwanden griff zum zweiten mal an und eröffnete auf ca 300 m mit den Kanonen das Feuer. Der Deutsche konnte jedoch über die Grenze entkommen. Die deutschen "Bomber" flogen zum selben Zeitpunkt dem Doubs entlang, indem sie dauernd den Schweizer Luftraum verletzten. Mit dieser Aktion versuchten sie die Schweizer in den französischen Luftraum zu locken.
Ein Flugzeug löste sich abrupt vom Verband und flog provokativ in das Pruntrut. Oblt Kuhn griff über St-Ursanne den Deutschen an. Der Heckschütze eröffnete das Feuer auf eine Distanz von 400 - 500 m Entfernung. Kuhn behielt die Nerven und feuerte aus ca 250 m Distanz solange auf den Agressor ein, bis die Kanonen ausgeschossen waren und die MG blockierten. Das Flugzeug, möglicherweise eine He-111, entkam - mehrfach getroffen - in einem Steilflug in Richtung Frankreich. Die Me-109 von Kuhn und Aschwanden wurden durch das Abwehrfeuer der Bordschützen beschädigt, kehrten jedoch problemlos auf ihren Stützpunkt in Olten zurück.
Kurz darauf, es war 15:19 Uhr, startete die Patrouille "Ursula 7" mit Oblt Honegger und Lt Egli. Oblt Rufer folgte um 15:20 Uhr und schloss im Raum Solothurn zur Patroille "Ursula 7" auf. Oblt Homberger auf einer "Jumo" musste wegen einer technischen Panne nach Olten zurückkehren. Rufer und Egli setzten den Flug in Richtung La-Chaux-de-Fonds fort. Dort sichtete Oblt Rufer eine Verband von acht Me-110, die sogleich einen Kreis bildeten, und er setzte sich hinter das letzte Flugzeug. Der deutsche Heckschütze eröffnete auf ca. 300 m Entfernung das Feuer und konnte mehrere Treffer anbringen. Oblt Rufer schoss auf ca. 200 m Distanz den rechten Motor der Me-110 in Brand, musste aber wegdrehen, weil er hinter sich gegnerische Flugzeuge entdeckte. Da die Waffen ausgeschossen waren, entschloss er sich nach Olten zurückzufliegen. Der Wasserkühler seines Flugzeugs war jedoch durch Geschosseinschläge beschädigt und er entschloss sich, in Biel zu landen. Dort wurden weitere Treffer in Motor, Propeller und Tragflächen festgestellt.

Rufers Opfer, eine Me-110 der 6./ZG 1, stürzte um 15:30 Uhr auf französischem Gebiet im Grande Combe des Bois bei Les Russey ab. Der Pilot Uffz Killermann und der Bordfunker Uffz Wöhl kamen dabei ums Leben.

Lt Aschwanden, zum zweiten mal im Einsatz, attackierte über dem Chaumont eine Me-110, die sich Richtung Bielersee absetzte. Bei der Verfolgung des Deutschen wurde er selbst von hinten angegriffen und musste den Kampf abbrechen. Die Deutschen flogen daraufhin Richtung Grenze und Lt Aschwanden kehrte noch Olten zurück.

Die Morane-Patrouille der Fl Kp 13 , Oblt Wittwer (J-24) und Lt Heiniger (J-34) startenen um 15:03 in Biel zum Sperrfliegen im Raum Saignelegier. Zwanzig Minuten später griffen sie in die Käpfe über La Chaux-de-Fonds ein. Es war der erste Kampfeinsatz mit der Morane überhaupt.
Interessant waren die Beobachtungen der beiden Morane-Piloten. Während der Kampfhandlungen sahen sie ein Flugzeug, sich um die Längsachse drehend, steil abstürzen. Ein weiteres Flugzeug, mit einer Rauchspur steil gegen Norden über die Grenze stechend, war vermutlich eine He-111.


Ein deutscher Heinkel He-111 Bomber

Alle flugbereiten DB-Maschinen der Fl Kp 15 standen bereits im Einsatz. Die Patrouille mit Oblt Suter und Lt Rickenbacher startenten um ca. 15:35 Uhr in Olten auf "Jumos" (Me-109 D-1). Beide Flugzeuge hatten keine Funkgeräte eingebaut.
Rickenbacher, dessen Flugzeug als erstes flugbereit war, startete in Richtung Saignelegier. Suter holte ihn nach ca 5 Minuten ein und beide flogen mit ca. 100 m Zwischenraum die Patrouille weiter. Suter befand sich auf 3500 m Höhe über Saignelegier, als er im Raum La Chaux-de-Fonds drei Flugzuege erkannte, die jenseits der Grenze in Richtung Nord-Ost flogen. Da wegen der Wolken der Grenzverlauf nicht eindeutig zu erkennen war blieb er auf Distanz. Zu jenem Zeitpunkt hatte Oblt Suter seine Patroillen-Kameraden aus den Augen verloren.
Als die drei Me-110, die in den Gefechtsberichten als "Bomber" bezeichnet werden, wieder sichtbar werden, befand sich davor ein einzelnes Flugzeug. Dieses drehte sich nun jäh auf den Rücken und stach in steilem Gleitflug in die Wolkendecke. Kurz darauf verschwanden auch die drei restlichen Flugzeuge in den Wolken.

Vermutlich war dieses einzelne Flugzeug die J-310 von Lt Rickenbacher. Tatsache ist, die J-310 stürzte mit laufendem Motor senkrecht ab. Rickenbacher prallte nach freiem Fall mit abgerissenem Fallschirm ca. 400 m von seinem Flugzeug entfernt zu Boden.

Der Tod von Rudolf Rickenbacher löste landesweit grosse Empörung aus. So kam es am 7. Juni bei der Beerdigung in Lotzwil zu einem peinlichen Zwischenfall: Göring liess zu Ehren des gefallenen Schweizers einen Kranz niederlegen, was von den anwesenden Trauergästen aber als Provokation angesehen wurde. Der Kranz wurde von der empörten Menge hinterher in tausend Fetzen zerrissen.

Die Me-109 D "Jumo" wurden nach dem 4. Juni nicht mehr für Kampfeinsätze verwendet.

Diese Kampfhandlungen hatten nun erstmals ein diplomatisches Nachspiel. Die Reichsregierung intervenierte in Bern mit einer Note indem sie gegen die "feindseligen Akte" und die "beispiellosen Handlungen eines neutralen Staates" protestierte. Man verlangte von der Regierung eine gebührende Entschuldigung und wollte für die entstandenen Schäden entgeltet werden. Eine Drohung aus Berlin, man werde Notfalls gegen die Schweiz militärisch vorgehen, wurde von der Regierung ernst genommen. Trotzdem wurden die Vorwürfe zurückgewiesen und man bestand weiterhin auf dem Recht eines neutralen Staates, seine Lufthoheit mit allen Mitteln zu verteidigen.

Am Samstagmorgen des 8. Juni 1940 befand sich eine C-35 (C-125) der Fl Kp 10 auf einem Grenzüberwachungsflug im Raum Pruntrut.
Zur selben Zeit überflogen sechs Me-110 die Ajoie. Zwei Maschinen lösten sich aprupt aus dem Verband und schossen die die C-35 ab. Der Pilot, Lt Meuli, und der Beobachter, Oblt Gürtler, hatten keine Chance. Der Angriff kam derart überraschend, dass die Besatzung nicht einmal dazu kam, die Waffen zu entsichern.
Die Nachricht vom Tod der beiden Flieger verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Die Kommandanten der Fliegerkompanien warteten einen Einsatzbefehl gar nicht erst ab und liessen auf eigene Initiative alle flugbereiten Flugzeuge starten. Zwischen 11:50 und 12:10 Uhr stiegen acht Messerschmitt-Alarmpatrouillen der Fl Kp's 15 (Olten), 21 (Dübendorf) und 6 (Thun) zur Abwehr der deutschen Agressoren auf. Oblt Willi, Fl Kp 21, brach wegen einer Motorpanne den Einsatz ab und kehrte nach Dübendorf zurück. Insgesamt standen sich 15 Schweizer Me-109 E-3a und vermutlich 28 Me-110 C gegenüber.


Ein deutscher Zerstörer Messerschmitt Bf 110

Die 5./ZG 1 unter Oblt Schmidt flog in 2000 bis 4000 m Höhe in Dreierformation wie Bomberverbände. Der Stabsschwarm unter Hptm Dicore und die 4./ZG 1 unter Hptm Kaldrach umkreiste in der gleichen Höhe diesen supponierten Bomberverband und die 6./ZG 1 unter Oblt Kadow hatte den Auftrag, in 6000 m Höhe den Verband zu decken. Die Fl Kp 15 aus dem nahegelegenen Olten griff als Erste an. Die Patrouille Lindecker/Egli flog aus der Sonner heraus in den obersten Abwehrkreis der 6.Staffel und konnten die Me-110 von Jochen Schröder herausschiessen, der mit brennendem rechten Motor den Kampf abbrechen musste.

Der Kommandant der 6./ZG 1, Hptm Kadow, wurde bei einem Angriff verwundet und sein Bordschütze Uffz Wunnike durch einen Kopfschuss getötet. In der Verlustliste der II./ZG 1 wird das Flugzeug als Totalverlust geführt. Wer Kadow angriff und wo er zu Boden kam ist unklar.

Die Patroille Homberger/Kuhn griff die 4. Staffel an, die den Abwehrkreis um den "Bomberverband" bildete. Oblt Homberger geriet jedoch in das Abwehrfeuer einer Me-110 und wurde dabei ernsthaft verletzt. Im Tiefflug versuchte er nach Olten zu gelangen, litt aber wegen seinen Verletzungen (Schussverletzungen in Rücken, Lungen und Becken) unter Sehstörungen. Homberger beschloss im Direktanflug in Biel zu landen. Bei der Landung knickte das linke Fahrwerk ein, da es wegen einer angeschossenen Oelleitung nicht verriegelte. Nach einem "Ringelpietz" kam das Flugzeug zum Stehen. Der schwer verletzte Pilot konnte selber aus dem Cockpit klettern und brach dann bewusstlos zusammen. An seinem Flugzeug zählte man 34 Einschüsse.

Oblt Kuhn sah, wie weit unten Homberger von mehreren Me-110 bedrängt wurde. Im Sturzflug erreichte er eine günstige Schussposition und feuerte mit beiden MG 29 auf die hintere Maschine , welche sofort über die Fläche wegkippte. Wegen des Geschwindigkeitsüberschusses war Kuhn unmittelbar darauf hinter der zweiten Me-110, die ihrerseits zum Angriff auf Homberger ansetzte. Das Flugzeug Hombergers verlor kontinuierlich an Höhe und schleppte eine weisslich-graue Rauchfahne hinter sich her. Kuhn kam bis auf nächste Distanz heran und feuerte mit Kanonen und MG auf den Gegner. Der Borschütze der Me-110 hatte offensichtlich Probleme, denn es kam kein Abwehrfeuer entgegen. Auf der Höhe Courtelary bemerkte Kuhn , dass hinter ihm gleich vier Me-110 in Angriffsposition übergingen. In halsbrecherischem Tiefstflug durch die Taubenlochschlucht gelang es ihm die Verfolger abzuschütteln - er konnte wohl davon ausgehen, dass kein fremder Pilot es wagen würde, ihm in diesem Gelände zu folgen.
Die Me-110-Besatzung von Fw Breiter hatte kein Glück nach dem letzten Angriffvon Kuhn konnte Breiter die Maschine nicht mehr lange halten und stürzte westlich von Ueberstrass in einen Fischweiher inmitten eines Waldes. Bordfunker Ogfr Hink konnte das Flugzeug kurz zuvor mit dem Fallschirm verlassen und geriet in Gefangenschaft. Der Pilot kam beim Absturz ums Leben.


Ein abgeschossener He-111 Bomber

Die Patrouille Streiff/Knöpfli und Scheitlin der Fl Kp 21 war ebenfalls beim Gefecht mit der 4./ZG 1 verwickelt. Die Gefechte erstreckten sich mittlerweile vom Chasseral bis ins Laufental. In der Gegend von Zofingen drängten die 21er eine Me-110 von ihrem Verband ab. Bei Triengen gelang es Oblt Streiff, dem Gegner den Weg abzuschneiden und ihn durch Beschuss mit beiden MG 29 zum Absturz zu bringen. Bordschütz Ogfr Hofmann versuchte mit dem Fallschirm abzuspringen. Sein Schirm löste sich jedoch zu früh aus und verfing sich in der Höhenflosse. Auch der Pilot Unteroffizier Scholz kam beim Absturz ums Leben. Das Flugzueg rammte beim Weiler Wellnau in den Boden. Die blockierte Borduhr zeigte genau 12:55 Uhr.

Oblt Borner , Fl Kp 21 (J-362 ohne Funkegerät), verlor den Staffelkommandanten, Walo Hörning, über dem Pruntrut in einer Wolke aus den Augen. Anschliessend flog er auf 7000 m Höhe um sich zu orientieren.
"Wahnsinn ! Es sah aus wie in einem Aquarium - Flugzeuge auf jeder Höhe, alle links herum kreisend ... also den Kahn auf den Kopf gestellt und hinein ins Vergnügen." Nach mehreren Angriffen wurde auch Borners Me-109 von einem Heckschützen getroffen. Dies hatte eine Blockierung des linken Querruders zur Folge. Mit dem Seitenruder steuernd flog Borner südwärts über die Jurakette, mit der Absicht, in Biel zu landen. Dort versperrte aber die Maschine vom Oblt Homberger die Piste. Borner flog, wieder in Begleitung von Hptm Hörning nach Olten, dem Standort der Fl Kp 15, wo er sicher landete.

Als die Patrouillen der Cpav 6 aus Thun über Saingelgier eintrafen, waren die Luftkämpfe bereits in vollem Gange. Nach Aussagen der Piloten griffen sie mehrmals Flugzeuge an, die in Dreierformation flogen.
Auffallend waren die zahlreichen Waffenstörungen bei der Cp av 6. Oblt Hadorn konnte nur wenige Schüsse mit den Kanonen abgeben, als diese blockierten. Da auch das linke MG 29 eine Ladehemmung hatte, blieb nur noch ein MG für den Kampfeinsatz übrig. Beide Kanone blockierten nacheinander im Flugzeug von Lt. Benoit, der jedoch mit beiden MG 29 weiterkämpfen konnte. Lt Turnheer flog seine Einsatz mit blockiertem linken MG. Einzig Oblt Liardon hatte keine Probleme mit den Waffen und konnte über Delemont mehrere Treffer mit Kanonen und MG an einer Me-110 anbringen.

Die Me-110 (2N+GN) wurde in der Gegend von Laufen von Me-109 der Fl Kp 15 angegriffen, die einige Treffer anbringen konnten. Der Bordschütze erwiderte das Feuer. Kurz darauf geriet das Flugzeug in Breitenbach in das Feuer einer 7,5 cm-Batterie des Flab Det 80 und wurde weiter beschädigt. Danach wurde sie von vier Maschinengewehren der Mitrailleur Kp IV/26 beschossen, ohne jedoch getroffen zu werden. Der Pilot, Fw Dähne, konnte sein lädiertes Flugzeug bei Neukirch/Nunningen auf den Bauch setzen, wobei sich der Bordschütze, Ogfr Klinke, zwei Finger brach.

Die Me-110 C-1 Werk-Nr. 2831, war nur leicht beschädigt und stiess bei den militärischen Sachverständigen auf grosses Interesse.

Am Abend dieses ereignisreichen Tages ging man beiderseits der Grenze über die Bücher, Die Schweiz beklagte einen toten Piloten, einen toten Bobachter und einen schwerverletzten Piloten. Die deutsche Luftwaffe musste erneut mindesten vier tote Piloten und mehrere verletzte Besatungsmitglieder hinnehmen. An Flugzeugen ging eine schweizerische C-35 und mindestens vier deutsche Me-110 verloren. Mehrere weitere Flugzeuge wurden mehr oder weniger stark beschädigt.

Nun kam die Diplomatie ins Spiel und zwischen Berlin und Bern liefen die Drähte heiss. Während in den Fleigerkompanien Siegesfeiern abgehalten wurden und sich die Schweizerbevölkerung über ihre "Helden der Nation" erfreute, sahen sich verantwortliche Politiker und Militärs zunehmend dem Druck der deutschen Reichsregierung ausgesetzt.


Ein notgelandeter He-111 Bomber

Noch am Abend des 8. Juni befahl der Kdt FF Trp, jeden Luftkampf 5 Km vor der Grenze abzubrechen. Damit begann für die Schweizerischen Jagdflieger eine ganze Reihe von einschränkenden Massnahmen. Am 10. Juni wurden die Grenzüberwachungsflüge aufgehoben. Der General erliess am 13. Juni ein Verbot für Luftkämpfe über der Ajoie. Fremde Flugzeuge durften nur noch in Notwehr angegriffen werden und unbedeutende Grenzverletzungen wurden gar nicht mehr gemeldet.


Zusammenfassung

Die Schweizerische Flugwaffe hatte nach dem Kriegsbeginn in Frankreich ihre erste Bewährungsprobe zu bestehen. Obwohl oft nur unzureichend ausgerüstet (Maschinenpark veraltet, fehlender Funk) und mit unzulänglichen Führungsmitteln ausgestattet, haben die Schweizer Piloten mit einer überragenden Kampfmoral die Grenze mit den wenigen modernen Flugzeugen kompromisslos verteidigt. Dabei wurde einem zahlenmässig überlegenen und kampferprobten Feind Verluste im Verhältnis von 4 zu 1 beigebracht.
Obwohl die Luftkämpfe über der Schweiz im Verhältnis zum Kriegsgeschehen, schon rein zahlenmässig, eher als ernsthafte Scharmützel, als das einer Luftschlacht zu betrachten sind, so waren sie für die Moral der Truppe und der Bevölkerung im Allgemeinen ungemein wichtig. Sie setzen auch das Zeichen, dass die Schweiz durchaus gewillt war, ihre Neutralität auch mit der Waffe zu verteidigen.


Hier noch einmal in Kurzform, was in den Monaten Mai und Juni 1940 geschah:

10. Mai 1940:

  • Beschuss einer He-111. B- und C-Stand ausser Gefecht gesetzt. Bomber entkommt mit Rauchfahne über die Grenze.

18. Mai 1940:

  • Abschuss einer beschädigten He-111 in Kemleten durch die Fl Kp 21.

1. Juni 1940:

  • Abschuss einer He-111 bei Lignieres durch Fl Kp 6. Alle 5 Besatzungsmitglieder tot.

  • Angiff auf verschiedene He-111 durch die Fl Kp 6. Ein Bomber herausgeschossen. Kann mit rauchendem Motor auf französischem Territorium eine Notlandung machen (20 km SW Basel).

2. Juni 1940:

  • Angriff auf eine Beschädigte He-111. Notlandung bei Ursins. Ein Bordschütze tot, Besatzung interniert.

4. Juni 1940:

  • Provokation der Schweizer Flugwaffe durch II./ZG 1 und einzelnen He-111.

  • Fl Kp 15 beschädigt eine Me-110 schwer, die sich über die Grenze retten kann.

  • Eine He-111 schwer beschädigt. Entkommt über die Grenze.

  • Patrouille "Ursula 7" schiesst eine Me-110 der 6./ZG 1 ab. Die Besatzung wird getötet.

  • Beschädigung einer Me-110. Kampf abgebrochen da von numerisch überlegenem Gegner angegriffen.

  • Fl Kp 15 verliert eine Me-109 D-1 mit dem Piloten Oblt Rickenbacher aus unbekannten Gründen (Flügelbruch, Abschuss ?)

  • Die schweizerischen Me-109 D-1 werden aus den Kampfverbänden herausgelöst und nur noch zu Schulungszwecken verwendet.

8. Juni 1940:

  • Maschinen der II./ZG 1 besetzen den Luftraum über dem Schweizer Jura.

  • Eine Me-110 der 5./ZG 76 macht nach einem Einsatz bei Nunningen eine Notlandung. Besatzung interniert.

  • Eine C-35 (C-125) wird überrascht, und von mehreren Me-110 angegriffen und abgeschossen. Die Besatzung wird getötet.

  • Angriff der Gl Kp 15 auf die 6./ZG 1. Eine Me-110 mit brennendem Motor bricht den Kampf ab und fliegt über die Grenze.

  • Abschuss der Me-110 des Staffelkommandanten der 6./ZG1. Hptm Kadow wird verwundet, der Borschütze durch Kopfschuss getötet.

  • Oblt Homberger beim Angriff auf die 4./ZG 1 schwer verwundet. Maschine beschädigt.

  • Abschuss einer Me-110 der 4./ZG 1. Beide Besatzngsmitglieder finden den Tod.

  • Abschuss einer Me-110 der 4./ZG 1 durch die Fl Kp 21. Absturz bei Wellnau. Besatzung tot.

  • Mehrere Kanonen- und MG-Treffer an einer Me-110 durch die Cp av 6. Maschine entkommt über die Grenze.

  • Abschuss einer Me-110 (2N+GN) in der Gegend von Laufen von Me-109 der Fl Kp 15.

10. Juni 1940:

  • Grenzüberwachungsflüge aufgehoben.

  • Italien tritt in den Krieg ein. Die Schweiz ist nur von den kriegführenden Achsenmächten eingeschlossen.

13. Juni 1940:

  • Verbot für Luftkämpfe über der Ajoie.

20. Juni 1940:

  • Vollständiges Verbot für Luftkämpfe ausser in Notwehr

Alle Ziele der deutschen Luftwaffenführung, nämlich die Provokation der schweizerischen Flugwaffe zu Grenzverletzungen, der Besetzung von schweizerischem Luftraum und schlussendlich die Bestrafung der schweizerischen Flugwaffe, sind gescheitert und mussten mit Material- und Personalverlusten bezahlt werden. Dazu dürfte eine gewisse Ueberheblichkeit durch die im Polenfeldzug erworbene Erfahrung beigetragen haben. Dazu kommt, dass die Luftwaffenführung keine Lehren aus den Vorkommnissen über dem Schweizer Jura gezogen hat. Es wurde nicht erkannt, dass die Zerstörer gegen einmotorige Jagdflugzeuge einen schweren Stand hatten und dass die Taktik des Abwehrkreises gegen einen entschlossenen Feind kein Heilmittel irgendeiner Art war.
Der Preis für dieses Versäumnis war in hohen Verlusten in der Luftschlacht um England zu bezahlen.

Die respektablen Erfolge der schweizerischen Jagdflieger darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein entschlossener Angriff der deutschen Luftwaffe auf schweizerische Flugplätze und die Infrastruktur, der Schweizer Flugwaffe ein kurzes aber aufregendes Leben beschert hätte. Darum war der Entschluss der obersten politischen und militärischen Entscheidungsträger sicher nicht falsch, die Flugwaffe an die kurze Leine zu nehmen, um den grossen Nachbarn nicht weiter zu provozieren.

Während der Dauer des Krieges ist der Schweizer Luftraum in 6501 Fällen verletzt worden. 244 Flugzeuge landeten, stürzten ab oder wurden abgeschossen. 1620 Besatzungsmitglieder wurden interniert, vielfach in Hotels im Berner Oberland. Wohl die angenehmste Weise überhaupt, den Krieg auszusitzen.


Hier, der Artikel als PDF-Datei.


 

Quellen:

Deutsche Luftwaffe über der Schweiz, 1939 -1945
Karl Ries

ISBN 3-87341-022-2

Die Schweizer Me 109 in der Schweizer Flugwaffe - ein Stück Zeitgeschichte
Georg Hoch

ISBN 3-905-404-10-9

Fliegerlatein - Geschichten aus 70 Jahren Schweizer Fliegerei
Arthur Bill

ISBN 3-7272-1274-8


Author: Kurt Zumbühl, März 2004